Reitkunst für

Islandpferde

 

Jahresrückblick 2020

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"Die Parade ist nicht das, was die Hand macht. Die Parade ist das, was das Pferd macht." (Bent Branderup)

(Foto: Valeska van den Berg)

Corona hat auch mein Leben 2020 geprägt: Homeoffice, Video-Reitunterricht, Online-Kurse, eine schöne gemeinsame Lockdown-Zeit mit meiner Familie und Dankbarkeit, dass bisher alle gesund geblieben sind. Meine beiden Kurse mit Bent Branderup konnten glücklicherweise stattfinden und im August klappte es auch mit einer aktiven Teilnahme: Bent gab uns wieder einmal viele Beobachtungen und neue Impulse für die Ausbildung mit. Glæðir konnte trotz aller „Baustellen“ zeigen, was er in den letzten Jahren gelernt hat - z. B. eine schöne getragene Dehnungshaltung und Ansätze zur Versammlung. Ich bin wirklich stolz auf seine Entwicklung. 

Auch Ciana hat dieses Jahr mit der Boden- und Longenarbeit begonnen. Ich lasse ihr viel Zeit -  die meisten Probleme lösen sich durch Abwarten von selbst. Sie hat sich toll entwickelt.

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Ciana im September auf unserer Bergweide

Im Dezember stand nach fast 9 Jahren noch ein Stallwechsel an. Ich genieße es, mal schnell mit dem Fahrrad zum Stall zu fahren, nett mit unseren Nachbarn zu quatschen und der alte Schwarzwaldhof liegt wirklich traumhaft. Unsere neue Pferde-WG ist eine kunterbunte, lustige Herde mit ganz unterschiedlichen Rassen und Charakteren. Ciana und Glaedir hatten während der Eingewöhnung eine Arbeitspause, aber Wintersport auf der Weide ging natürlich trotzdem ;-). Dabei entstand dieser kurze Film:

 

10 Jahre Akademische Reitkunst – unser „Jubiläumskurs“ mit Bent Branderup im August 2020

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Erarbeitung der Hankenbeugung im Stehen

(Foto: Valeska van den Berg)

 

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Zirkel verkleinern in der Handarbeit

(Foto: Valeska van den Berg)

 

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Versammlung im Schritt - gebogenes Gerade

(Foto: Valeska van den Berg)

Diesen Sommer hat es mal wieder geklappt und ich konnte mit Glæðir bei einem Kurs mit Bent Branderup teilnehmen. Im Sommer 2010 haben wir uns auf diesen Weg begeben – Ursache war eine schlimme Verletzung an Glæðirs Karpalgelenk. Diese hat mich gezwungen, umzudenken und mein Pferd (und mich) noch mal ganz von vorne auszubilden. Immer noch fühle ich mich als Anfänger, immer mehr wird mir klar, wie viel ich noch nicht weiß. Gleichzeitig ist es ungeheuer faszinierend, Bewegungsabläufe zu verstehen und auch, welchen Einfluss der Reiter hat – positiv wie negativ. Mein Pferd ist grade durch die Versammlungsarbeit sehr selbstbewusst geworden und zeigt mir deutlich, wann er mich kraftvoll tragen kann und wann nicht. Er fordert feine Kommunikation beim Reiten regelrecht ein. Wenn ich abgelenkt bin oder zu viel erwarte, verweigert er die Mitarbeit. Das kann in Kurssituationen schwierig sein. Trotzdem hatten wir Momente, wo es sich gut angefühlt hat und wenn ich mir im Nachhinein die Fotos anschaue, bin ich wirklich stolz auf mein tolles Pony. 

Doch nun zum Kurs: Schwerpunkt war das Exterieur des Pferdes. Auch nach 10 Jahren, die ich mich schon mit der Akademischen Reitkunst beschäftige, lerne ich immer noch dazu und Bent bringt jedes Mal neue Erkenntnisse mit. Und er schafft es immer wieder, komplexe Sachverhalte anschaulich zu erklären und mal humorvoll, mal ernsthaft und philosophisch die Zuhörer zu fesseln. Es ist unmöglich, das in einem kurzen Beitrag wiederzugeben, daher möchte ich aus meinen Mitschrieben nur ein paar besondere Aha-Erlebnisse nennen, z. T. als Zitate, meist aber nur sinngemäß:

  • Bents erster Blick bei der Beurteilung eines Reitpferdes fällt auf die Hufe. Sie zeigen die Grundbalance des Pferdes an und verraten viel über die Gelenktätigkeit.
  • Die größten Belastungsfaktoren für die Hinterhand entstehen nicht etwa durch versammelnde Bewegungen, sondern durch Beschleunigung und Bremskräfte. In maximaler Versammlung in der Levade trägt das Pferd sein Körpergewicht zu 100% auf der Hinterhand - bei einem 600kg schweren Pferd also 300kg pro Huf. Durch Beschleunigung und v. a. durch Bremskräfte erhält man aber sehr viel höhere Werte. 
  • Die Wirbelsäule ist eine Einheit. Bei einem sichtbaren Unterhals sinkt die Halswirbelsäule vor dem Schulterblatt ab und der Rücken ebenfalls. 
  • Wenn eine Form nicht mit Leichtigkeit eingenommen werden kann, kann man nicht auf Ausdauer trainieren.
  • „Das Gefühl der Parade ist das Gefühl von der Abwesenheit jeglichen Widerstands.“
  • „Stellungsverlust ist immer das gleiche wie die äußere Schulter niederdrücken. Stellung ist die Brustkorbrotation, die durch den Hals weitergeht.“ 
  • „Ein Pferd kann im Stehen nicht zu tief sein, weil es in dieser Haltung Gras fressen kann. Aber es kann zu tief sein für Bewegung.“
  • „Wir müssen unterscheiden zwischen einem Vorwärts-abwärts - jetzt tritt der Vorderhuf unter die Nase – und einem Rückwärts-abwärts, wo der Vorderhuf nach hinten fällt unter den Körper.“ 
  • Ist der Rückenschwung reduziert, sind auch die Beckentätigkeit und der Vorgriff der Hinterbeine reduziert.
  • Bei falschen Seitengängen fällt die Hinterhand aus und wird zur Dysfunktion gebracht. Das Ziel der Seitengänge ist aber die Korrektur der Hinterbeine. Seitwärtsgänge sind Gift für Knie und Sprunggelenk.
  • Schulterherein sollte eigentlich Schulterherauf heißen.
  • Einrollen deutet darauf hin, dass die Schulter zu steil steht. Das Pferd läuft im Schub und auf der Vorhand. 
  • „Das alte Wort für Versammlung war ‚Wendigkeit’. Das Wort ‚Turnier“ kommt von ‚Wendung’ – turn.“
  • „Wir haben beim Isländer ein paar Schwierigkeiten, aber diese Schwierigkeiten sind ja in Wirklichkeit die gleichen wie bei anderen Pferden. Nur sind sie dort nicht so auffällig. Der Taktverlust ist beim Islandpferd viel ausgeprägter.“
  • Sprache ist nichts Natürliches. Sie ist angelernt. „Poesie ist eine lebenslange Verfeinerung der Sprache.“

Was war nun unser Kurs-Highlight? Ich hatte Bent gebeten, ganz genau auf Glæðirs geschädigtes Karpalgelenk zu achten, ob er irgendwelche Asymmetrien erkennen kann. Nach seiner Verletzung hatte er noch 20% Beugung und die letzte (vierte) Operation ist vier Jahre her. Bent meinte, dass er nichts erkennen konnte :-))).

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei einigen Menschen, die mich in den letzten Jahren auf dem Weg der Akademischen Reitkunst begleitet haben: Eike fürs erste Erzählen von Bent Branderup und den Tipp, die Online-Kurse zu machen, Susanne Waltersbacher für die langjährige Kursorganisation und Gründung von „Reitkunst Südwest“, Alexandra Bohl und Maria Roob für die intensive Unterstützung in den Anfangsjahren, Thomas Haag für den „Gangpferde-Blick“ und seinen großen Erfahrungsschatz mit Islandpferden, Isabel Steiner für die Organisation der ersten Bent Branderup-Kurse im Südwesten und akademischen Gangpferdeunterricht, Anja Hass für die intensive Begleitung in den letzten Jahren und Bent Branderup für seinen unermüdlichen Einsatz, seine Geduld mit Pferd und Mensch und seine immer noch spannenden Kurse. Es ist toll, was in dieser Zeit aus der Akademischen Reitkunst geworden ist!

 

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Getragene Dehnungshaltung im Schritt

(Foto: Valeska van den Berg)

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Getragene Dehnungshaltung im Trab - Takt und Vorgriff bleiben erhalten

(Foto: Valeska van den Berg)

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Biegung in der Handarbeit - Die Nase bleibt vor der Brust

(Foto: Valeska van den Berg)

 

Formen im Stehen: Anheben des Widerrists

 

Hinter der Senkrechten – Ursachen und Folgen

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Dieses Foto von Glæðir und mir entstand 2012 zu Anfang unserer Ausbildung nach der Akademischen Reitkunst. Es zeigt ein Problem, dass wir erst jetzt – also 8 Jahre später - gelöst haben. Das Einrollen oder "hinter den Zügel kommen" gehört zu den Ausbildungsfehlern, die am schwersten zu korrigieren sind. Es entsteht nicht nur durch zu starken Zügeleinsatz oder die berüchtigte „Rollkur“. Es gibt Pferde, die sich auch von selbst einrollen, sogar ohne Reitergewicht und ohne Gebiss. 
Welche Pferde neigen zum Einrollen? Das Einrollen tritt am häufigsten bei Pferden mit langen, beweglichen Hälsen auf. Solchen Pferden fällt die Beizäumung in der Versammlung leicht, daher entsprechen solche Hälse durchaus dem Zuchtziel eines Reitpferdes. Haben diese Pferde ein straffes Bindegewebe und einen hohen Muskeltonus, sind solche Hälse kein Nachteil. Problematisch wird es, wenn ein weiches Bindegewebe und ein niedriger Muskeltonus dazukommen. Beide Faktoren erschweren, dass das Pferd positive Spannung (keine Verspannung!) und eine gesunde Traghaltung aufbauen kann. Bewegliche Pferde wurden häufig auf extremen Schub gezüchtet, um raumgreifende, spektakuläre Bewegungen zu erhalten (z. B. Friesen, Gangpferderassen, moderne Warmblüter). Schon die Tragkraft für den eigenen Körper ohne Reitergewicht fällt diesen Pferden schwer. Auch die Zuchttendenz zum kurzen und vermeintlich stabileren Rücken erschwert es dem Pferd, die Nase bei langem Hals nach vorne zu nehmen. Durch den langen Hebel des Halses gerät das Pferd aus der Balance und belastet seine Vorhand übermäßig stark. Um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, verkürzt das Pferd den Hals: es rollt sich ein oder es nimmt den Kopf nach oben. Beide Kopfhaltungen lösen das Problem Vorhandlastigkeit aber nur scheinbar. Der Rumpf wird nicht zwischen den Schulterblättern angehoben. Der Rücken wird festgehalten und der Vorgriff der Hinterbeine verschwindet. Damit wird es für das Pferd unmöglich, Tragkraft aufzubauen.

Das Einrollen hat noch einen weiteren negativen Nebeneffekt: Die Stellung wird anatomisch unmöglich. Am Hinterhauptbein des Pferdes sitzen auf jeder Seite jeweils zwei kleine Knochenfortsätze, die Jochfortsätze (Processus Paracondylaris). Sie befinden sich seitlich neben dem 1. Halswirbel (Atlas). Rollt sich ein Pferd ein, blockieren die Jochfortsätze die Stellung, also das Umspringen zwischen 1. und 2. Halswirbel (Atlas und Axis). Allgemein bekannt ist, dass sich die Stellung durch die komplette Wirbelsäule fortsetzt und essentiell für die Biegung im Rumpf des Pferdes ist.  
In der Ausbildung des jungen Pferdes beginnt mit dem Einrollen ein Teufelskreis. Das Pferd kann sich auf seiner gedehnten Seite nicht stellen und biegen. Damit wird es unmöglich, auf einer Kreislinie zu laufen. Das Pferd löst dieses Problem dadurch, dass es sich wie ein Motorradfahrer in die Kurve legt, was die Gelenke an den Beinen durch das schräge Auffußen unphysiologisch belastet. Die natürliche Schiefe des Pferdes (und damit auch des Reiters) verstärkt sich. Es wird unmöglich einen Sattel korrekt anzupassen. Rückenprobleme sind vorprogrammiert. Der fehlende Vorgriff der Hinterhand wird durch ein starkes Zurückschieben der Vorhand gelöst. Eventuell beginnt das Pferd sogar zu stolpern oder seinem Schwerpunkt „hinterherzurennen“.  
Wie reagiert der Reiter darauf? Entweder spürt er die zunehmende Vorhandlastigkeit und versucht, das Pferd bloß nicht zu tief kommen zu lassen, damit es „nicht auf die Vorhand fällt“. Er lehnt sich im Sattel zurück und stützt sich an den Pauschen ab. Damit bremst er den Vorgriff der Hinterhand noch mehr aus und verstärkt damit die Vorhandlastigkeit immer mehr. Oder er lässt die Zügel extrem „locker“, um das Pferd bloß nicht im Maul zu stören. Auch vom Sitz her sitzt der Reiter zu entspannt und schaut nach unten. Er verstärkt den niedrigen Muskeltonus und zerstört dadurch das Vorwärts. Auch hier kippt das Pferd auf die Vorhand. Diesen Fehler habe ich gemacht.
In der Pferdeausbildung ist es daher unbedingt notwendig, ein Ausweichen hinter die Senkrechte niemals hinzunehmen und schon gar nicht über eine starke Zügeleinwirkung oder Hilfszügel beim Longieren zu produzieren. Eine korrekte Anlehnung kann so nicht entstehen. Nur durch eine tragfähige Hinterhand bei aktiver Rumpftragemuskulatur (!) hat das Pferd die Chance, ins Gleichgewicht zu kommen. Dann entsteht das "nach vorne Suchen" bzw. die Anlehnung von selbst.

Pferdegewieher-Podcast: Physiotraining mit Intrinzen

Wiebke vom "Pferdegewieher"-Podcast hat mich gefragt, ob ich in einem Interview über meine Erfahrungen mit Intrinzen berichten könnte. Das Gespräch mit ihr hat viel Spaß gemacht!

https://pferdegewieher.com/podcast59

Episode 59 FB

Powerplay

„Powerplay“ heißt unser neuer Kurzfilm – Warum? Glæðir ist ein sehr beweglicher Naturtölter, dem es sehr schwer fällt, gesprungene Bewegungen zu zeigen, sich durch Versammlung zu stabilisieren und seinen Rumpf anzuheben. Durch die Zucht auf gelaufene Bewegungen fehlt ihm außerdem die Federkraft. Das macht sich vor allem im Trab und Galopp bemerkbar. Die Sprungphase ist kaum vorhanden und Galopp ist oft mit hohem Tempo und einer Passverschiebung verbunden. Zum Ausgleich für die eingeschränkte Federkraft müssen wir  verstärkt isometrisches Training der Rumpftragemuskulatur machen, also statische Haltearbeit. Das ist extrem anstrengend, vor allem, wenn die aufgebaute Energie sich wieder in Bewegungen entladen soll. 

Mit 19 Jahren macht sich außerdem ein bisschen „Altersstarrsinn“ bemerkbar. Wenn es anstrengend wird oder er keinen Sinn in einer Aufgabe erkennt, weigert er sich. Auch mit Leckerli lässt er sich nur begrenzt „bestechen“, wenn ich etwas auf Kommando abrufen will. 

Der Schlüssel zu mehr Freude und Motivation heißt intrinsische Motivation durch Spiel. Glæðir ist eher rangniedrig und spielt nicht mit den anderen Pferden. Ich habe daher versucht, spielerische Elemente aufzugreifen und ihm gleichzeitig Sicherheit vermittelt, dass er „wild“ sein darf. Versammlung wird in der Natur von Pferden eingesetzt, um anderen Pferden zu imponieren. Dieses Gefühl hat uns im herkömmlichen Training gefehlt.

Anfangs stand ich hinter einem Zaun, so dass er mir nicht gefährlich werden konnte, wenn er z. B. steigt. Er hat schnell unglaublich viel Spaß daran gefunden, vor allem „Tüten fangen“ ist sein Lieblingsspiel. Ich animiere meist aus der Distanz durch meine eigene Körpersprache, ohne durch zu viel Energie Stress zu verursachen. Dabei vermeide ich „Kommandos“ – er soll selbst mit Bewegungen experimentieren. Beim Rumpf anheben im Stehen berühre ich seinen Widerrist oder die Kniekehle, um seine Aufmerksamkeit auf diese Körperregionen zu legen und mache Vorschläge über meine eigene Körpersprache. Beim Rumpf anheben mache ich mich groß und gehe auf die Zehenspitzen. Für Hankenbeugung beuge ich ebenfalls meine Knie. Die Weichbodenmatte dient zum Propriozeptionstraining. Durch den instabilen Untergrund ist Balance schwieriger und Glæðir muss seinen Rumpf stärker stabilisieren. Die kleinen Bewegungen sorgen außerdem dafür, dass es ihm leichter fällt, seine Hanken zu "entriegeln". Das Pferd kann Knie- und Sprunggelenk "verriegeln" und dadurch entspannt stehen und sogar schlafen. Es fällt dem Pferd schwer, diese Verriegelung unter Belastung zu lösen und den Rumpf trotzdem zu stabilisieren. Die Matte sorgt auch für eine gewisse Stoßdämpfung beim Aufkommen – das ist wichtig für sein geschädigtes Karpalgelenk. Unser Schotterplatz ist sehr hart. 

Ich bin absolut überrascht, welche Bewegungen Glæðir im Freispiel zeigt und es macht unglaublich viel Spaß. Das einzige Problem ist, dass „normale“ Bodenarbeit schwieriger wird, weil er ständig mit Spielvorschlägen kommt. Interessant ist, dass das kaum etwas mit der positiven Verstärkung zu tun hat, die ich auch in der Bodenarbeit und beim Reiten einsetze. Diese Bewegungen wirken selbst belohnend – oft überhört er den Klicker und macht einfach weiter. Das sind für mich die Momente, wo intrinsische Motivation entsteht.

Bodenarbeit und Freispiel im Schnee

Dieser kleine Einblick in unsere Bodenarbeit und das Freispiel mit einem Target zeigt ganz gut unsere derzeitigen Baustellen. Schulterfreiheit ist für einen Naturtölter mit wenig Federkraft unglaublich schwierig. Im Kruppeherein im Schritt gelingt es Glæðir schon gut, sich zu tragen. Im Trab lasse ich ihn weitgehend selbst seine Form finden. Man erkennt vor allem mit der gedehnten Seite innen, wie er phasenweise auf die innere Schulter fällt. Am einfachsten trägt er sich hier in einer sehr tiefen Haltung, erkennbar am besseren Vorgriff. Angaloppieren gelingt  am besten spielerisch mit einem Targetstab, den Glæðir fängt. Er liebt es im Spiel zu steigen, zieht sich hier aber meistens mit festem Rücken hoch. Auch wenn das biomechanisch nicht korrekt ist, hoffe ich, dass er hier im Laufe der Zeit mehr Kraft bekommt. Das Training bleibt eine Gratwanderung - einerseits korrigiere ich vorsichtig, andererseits bewirkt zu viel "Fehlersuchen", dass er die Motivation verliert. Die Freude am gemeinsamen Experimentieren mit Bewegungen steht am Boden ganz klar im Mittelpunkt.

 

Die Lösung unserer Sattelprobleme?

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Unsere Sonderanfertigung des Schulungssattels

Da ich vermehrt nach unserem "Sattel" gefragt werde, möchte ich ihn nach eineinhalb Jahren im Dauereinsatz vorstellen und ein vorläufiges Fazit ziehen:

Glæðir hat mit 40cm eine extrem kurze Sattellage. Ich bin mit 1,75m aber recht groß und habe vor allem lange Beine. Eigentlich bräuchte ich mindestens eine Sattelgröße von 17,5''. Erschwerden hinzu kommt die ausgeprägte Hypermobilität meines Isländers und ein damit verbundenes weiches Bindegewebe. Glæðir macht sehr große Schritte, wenn man ihn so laufen lässt, wie er normalerweise läuft. Das bringt extrem viel Bewegung in seinen weichen Rücken und lässt Sättel und Pads nach hinten rutschen. Selbst wenn ein Sattelbaum auf seinen Rücken passt, beginnt er zu kippeln, wenn Glæðir den Rücken aufwölbt. Wir haben im Laufe der Zeit einige Sattler kennen gelernt und viel Geld in Sättel und Sattelanpassung investiert. Bäume, die auf seinen Rücken passten, ließen nur eine Sitzgröße von 16,5'' zu. Obwohl ich mich damit durchaus wohl und nicht eingezwängt gefühlt habe, entstanden Druckspitzen im hinteren Bereich der Brustwirbelsäule. Der Reiter sollte mit seinen Schwerpunkt im Bereich des 13.-15. Brustwirbels sitzen. Das ist ziemlich nah hinter dem Widerrist und dort ist die Brustwirbelsäule am tragfähigsten. Der Tiefpunkt des Rückens stimmt dann mit dem Tiefpunkt des Sattels überein. Mit allen von uns ausprobierten Baumsätteln kam ich mit meinem Schwerpunkt zu weit nach hinten.

Bei einer Sattellage von 40cm ist ein herkömmlicher Sattel mit 17,5'' nicht unterzubringen. Pauschen und ein ansteigendes Hinterzwiesel verschärfen den zu weit hinten liegenden Tiefpunkt. Nachdem ich durch ein tolles Seminar des Sattlermeisters Urban Truninger diese Problematik erkannt hatte, ritt ich 3 Jahre mit Pad und ohne Steigbügel. Aber auch das hat dauerhaft nicht funktioniert - der punktuelle Druck war einfach zu groß und wir hatten ständig die Osteopathin da. Dazu kam, dass ich ohne Bügel, wenn ich entspannt saß, zu weit nach hinten kippte. Ich reite ausschließlich im Gelände und neige ohne Bügel zum Klemmen, wenn es mal flotter wird.  Glæðir wollte irgendwann gar nicht mehr laufen und mich auch nicht mehr aufsteigen lassen. Verzweifelt dachte ich schon daran, das Reiten ganz aufzugeben.

Dann testete ich im Frühjahr 2018 den Schulungssattel, den der Sattler Willy Meyer gemeinsam mit Bent Branderup entwickelt hat. Ich hatte sofort ein tolles Sitzgefühl - viel besser als mit allen Pads. Die Sitzfläche konnte ich mir so polstern, dass ich ausbalanciert sitzen konnte. Trotzdem wollte ich eine Möglichkeit, Steigbügel zu verwenden, um die Druckverteilung besser variieren zu können. Ich habe Willy daher gebeten, Stabilisatoren einzubauen, so dass die Steigbügelaufhängung nicht durchdrückt. Da der normale Schulungssattel zu lang war, baute Willy eine Pony-Version mit 42cm und einem höheren Widerristausschnitt. Das ist für Glæðir immer noch 2cm zu lang, aber kürzer geht es leider nicht. Mit Hosengröße 38 habe ich in diesem kurzen Modell noch Platz. Ein Kopfeisen und Eftereisen wollte ich daher vorerst nicht verwenden. Willy baute andere, wegziehende Kissen ein, um den Druck im hinteren Bereich zu reduzieren. Der Kissenkanal musste recht schmal sein, damit eine Wirbelsäulenfreiheit gewährleistet bleibt. Ich war wirklich sehr skeptisch, ob das funktionieren würde und plante auch, eher wieder ohne Steigbügel zu reiten. Notfalls wollte ich den Schulungssattel zum Anreiten von Ciana nehmen. 

Mit dem neuen Schulungssattel zeigte Glæðir von Anfang an sehr deutlich, dass er viel lieber mit Bügeln geritten werden wollte. Ich nahm Sitzschulungsstunden bei Anja Hass auf ihrem Lusitano Galano. Er ist ein wunderbares Lehrpferd, das sofort zurückmeldet, wenn zu viel Druck im hinteren Bereich der Brustwirbelsäule entsteht. Da mein Schulungssattel kein Kopfeisen hat, konnte ich ihn sogar auf Galano verwenden. Anja und Galano haben ganz entscheidend dazu beigetragen, an meinem Sitz zu arbeiten und vor allem die beginnende Versammlung zu erspüren und nicht zu behindern.

Eineinhalb Jahre später bin ich vorsichtig optimistisch. Glæðir Rücken hat sich enorm verbessert, obwohl er mittlerweile 19 Jahre alt ist. Wir arbeiten konsequent an der Tragkraft und er ist mittlerweile in der Lage, den Widerrist anzuheben und leicht in der Schulter zu werden. Die Lösung besteht gerade bei hypermobilen Pferden darin, den Rücken "an den Sattel heranzureiten". Allerdings klappt das nur sehr kurz. Ein einstündiger Ausritt besteht aus mehreren, maximal 10-minütigen Reiteinheiten (Schritt in Versammlung, möglichst viel Trab, wenig Tölt, kurzes Angaloppieren). Zwischendurch steige ich immer ab und lasse Glæðir in eine von ihm gewählte, sehr tiefe Dehnungshaltung. Zum Aufsteigen verwende ich immer eine Aufstiegshilfe, damit sich der Schulungssattel nicht verzieht. Ich benutze ab und zu auch ein selbst gebasteltes Druckmesspad und habe den Sattel nach einem halben Jahr zur Kontrolle zu Willy geschickt. Bisher lassen sich keine Druckspitzen nachweisen, auch nicht im Bereich der Steigbügelaufhängung. Ledigllich die Schiefe sieht man stärker. Als Unterlage hat sich ein Rehfell (Winterfell) in Kombination mit einer Filzdecke (8mm) bewährt. Das Fell verhindert Haarbruch und das nach hinten Rutschen. Der Filz hilft gegen seitliches Verrutschen und vermindert den Druck der Gurtstrupfen, da der Schulungssattel kein Schweißblatt hat. Dennoch rutscht diese Konsturktion leichter und erfordert einen ausbalancierten Sitz. 

Eignet sich "unser Schulungssattel" als generelle Lösung für Isländer mit kurzem Rücken? Wie bei allen Sätteln muss man diese Frage wohl verneinen. Positiv ist mit Sicherheit die "Wiederentdeckung der Tölt-Flunder" - der Sattel ist ganz flach und es können auch bei knapper Sitzfläche keine Druckspitzen durch ein ansteigendes Hinterzwiesel oder Pauschen entstehen. Auch die Flexibilität und die Lage im Schwerpunkt würde ich positiv sehen. Allerdings sollte der Reiter in der Lage sein, auch im Schwerpunkt zu sitzen und nicht nach hinten zu kippen. Der Sattel ist das, was er ist - nämlich ein echter Schulungssattel, der Balance- und Sitzprobleme viel deutlicher macht. Das Pferd sollte sich so weit tragen können, dass der Rücken nicht absinkt - dann würde der Reiter ebenfalls nach hinten kippen. Was die Haltbarkeit angeht, bin ich gespannt. Das fehlende Kopf- und Eftereisen könnte dazu führen, dass sich der Sattel schneller platt sitzt. Hier muss ich aufmerksam sein, um das rechtzeitig zu erkennen. Ein Vorteil ist aber die fehlende Anpassung, da sich Glæðir im Laufe des Jahres sehr stark verändert.

Alles in allem bin ich mit unserer Lösung aber überglücklich. Wir hatten in den letzten 11 Jahren, seit mein Pferd bei mir ist, noch nie einen Zeitraum mit so einer positiven Entwicklung :-))) Für uns war diese Lösung also bisher tatsächlich eine Lösung.

Jahresrückblick 2019

mara glaedir steigen klein

"Wenn man nun das Pferd in die Haltung bringt, in die es sich zur Selbstdarstellung wirft, wenn es sich am meisten in seiner Schönheit zeigen will, so wird man auf diese Weise sein Pferd als eines vorführen, das am Reiten Freude hat, prächtig und gewaltig aussieht und die Blicke auf sich zieht." 

Xenophon

Mein „Bild des Jahres“ zeigt dieses Mal meine Tochter Mara im Freispiel mit Glæðir. Obwohl dabei auch Bewegungen entstehen, die nicht „biomechanisch korrekt“ sind, hilft es meinem Isländer enorm, den Sinn hinter der Versammlung zu entdecken und sich stolz zu fühlen. Nur mit diesem Gefühl führt er Bewegungen mit positiver Spannung und Leichtigkeit aus. Als rangniedriges Pferd profitiert er davon auch in der Herde.  

Eine ganze Reihe interessanter Seminare von Anja Hass, Bent Branderup und Gillian Higgins ("Horses inside out") brachten mir 2019 viele neue, spannende Erkenntnisse. Im mobilen Unterricht konnte ich vieles davon weitergeben. Besonders profitiert habe ich von den wundervollen Sitzschulungsstunden auf Anjas Lusitano Galano. Er ist ein fantastischer Lehrmeister! 

Ciana (3 Jahre) erkundet die Welt bei ersten Spaziergängen. Es macht viel Freude, die Welt mit ihr zusammen neu zu entdecken. Den ganzen Sommer über hatte ich meine beiden Pferde zum ersten Mal direkt am Haus. Zusammen mit zwei Islandstuten genossen Ciana und Glæðir den Sommer auf unseren großen Weiden am Feldberg. Das war etwas ganz Besonderes. Viel Arbeit, aber der Blick von meinem Schreibtisch entschädigt für alles!

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Was für ein Blick vom Schreibtisch aus!

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Pferdeparadies im Schwarzwald

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Ciana entwickelt sich prächtig 

Herbstausritt 2019 - Training im Vorwärts

Nach einer Verletzungspause (Sturz am Anbindeplatz auf die Hüfte) haben wir langsam Kondition und Bewegungskompetenz wieder aufgebaut. Da Glæðir ziemlich moppelig geworden war, lag der Fokus auf dem Vorwärts. Am Anfang bin ich längere Strecken mit dem Cityroller gefahren und habe ihn am Straßenrand traben lassen. Als Naturtölter mit einem niedrigen Muskeltonus fiel es ihm schwer, den Takt hier zu halten und Federkraft zu entwickeln. Durch das Lauftraining ohne Reitergewicht hat sich der Trab sehr verbessert und ist tragfähiger und weniger vorhandlastig geworden. Außerdem ist das Einrollen und das Schlurfen der Hinterhand fast verschwunden. Davon profitiert auch Glæðirs Galopp, der häufig gelaufen ist und eine Verschiebung zum Viertakt hat. Gustav Steinbrecht hat diesen Zusammenhang im "Gymnasium des Pferdes" treffend beschrieben:

"Wer jedoch Zeit hat und den denkbar sichersten Weg einschlagen will, der vermeide den Galopp (...) so lange, bis er im Trabe sein Pferd befähigt hat, die Last auf die vier Beine gleichmäßig zu verteilen. Wann nun (...) der Moment gekommen ist, um mit dem Galoppe zu beginnen, dafür ist eine allgemeine Regel natürlich nicht aufzustellen. Das Prinzip, nicht eher zu galoppieren als bis das Pferd von selbst den Galopp anbietet, würde in den meisten Fällen die Dressur selbst über die unter günstigen Umständen gegebene Zeit ausdehnen; doch sollte man jedenfalls die Trabvorbereitung nicht eher als befriedigend erachten, als bis man mindestens ohne Schwierigkeiten sein Pferd anzugaloppieren vermag. Zu langsam ist ja in der Pferdedressur immer weniger fehlerhaft als zu schnell; doch darf man auch nach der ersten Richtung nicht zu weit gehen. (...) Der Trieb nach vorwärts ist die Grundlage aller Dressur und kann nicht sicher genug begründet werden" 

Mit zunehmender Kondition hat Glæðir viel Lauffreude entwickelt und wir konnten noch einige wunderschöne Herbstausritte genießen. Bei einem entstand auf einem der schönsten Reitwege zum Teil vom Fahrrad aus dieser kleine Film. Danke, Peter!

(Kamera: Peter Oster)

Vorwärts-abwärts - hilfreich oder schädlich?

Immer wieder bekomme ich Diskussionen, zum Teil auch regelrechte "Grabenkämpfe" zum Thema "Vorwärts-abwärts" mit. Es ist logisch, dass ein längerer Hals als Hebel wirkt und Gewicht auf die Vorhand bringt. Ein aufgerichteter Hals unterstützt das Pferd dabei, seinen Schwerpunkt weiter nach hinten zu nehmen. Dies ist auch das Ausbildungsziel für ein gerittenes Pferd, da man so eine Überlastung der Vorhand vermeiden kann. Wenn man ein ungerittenes Jungpferd in seinen natürlichen Bewegungen beobachtet, wird man sehen, dass der natürliche Grad der Aufrichtung variabel ist. Leider zeigen meine Fotos keinen Isländer, sondern meine Berber-Haflingermix-Stute Ciana (3 Jahre), aber diese biomechanischen Grundsätze gelten für alle Pferde.

Auf dem 1. Foto sieht man eine mittlere Haltung (beim Reitpferd Arbeitshaltung), auf dem 2. Foto eine Dehnung Richtung Vorwärts-abwärts mit der Nase deutlich vor der Senkrechten und auf dem 3. Bild eine natürliche Aufrichtung bei maximaler Versammlung (Genick ist der höchste Punkt). In allen drei Bewegungsphasen ist die Unterhalsmuskulatur entspannt - das Pferd läuft über den Rücken und trägt sich über die Rumpftragemuskulatur des Schultergürtels. Dorthin, wo die Nase zeigt, fußen die Vorderbeine hin. Ciana kann sehen, wo sie auffußt. Bei korrekter Kraftübertragung treten die Hinterhufe in die Spur der Vorderhufe - das Pferd ist trittsicher. So sollte es auch beim Reitpferd sein.

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Ciana in mittlerer "Arbeithaltung"

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Ciana in Dehnungshaltung

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Ciana in maximaler, relativer Aufrichtung

Diese natürlichen Bewegungen sollten für uns Reiter Vorbild sein. Jeder, der Sport macht, weiß, dass Muskulatur ermüdet, wenn man sich immer in der gleichen Haltung bewegt. Der Grad der Aufrichtung richtet sich nach der Schrittlänge, dem Gelände und dem Rahmen. Je mehr Variationen, umso weniger Überlastung entsteht. Niemand wird auf die Idee kommen, immer in maximaler Versammlung zu reiten - dann kommt man nämlich nicht vom Fleck. Und ja, dauerhaftes Tief-Reiten, gerade in hohem Tempo und mit Reitergewicht kann die Gelenke der Vorhand tatsächlich überlasten. Das gleiche gilt für eine zu hohe Kopf-Hals-Haltung mit festem Rücken, also "Flucht-Gangarten" in absoluter Aufrichtung. Auch hier bleiben die Vorderbeine zu lange stehen (mehr Rückschub als Vorgriff). Die psychische Schädlichkeit würde ich in dieser Haltung aber als gravierender einschätzen, da das Pferd zum einen in einen Fluchtmodus kommt und zum anderen den Boden nicht sehen kann und dadurch seine Trittsicherheit verliert. Schon Xenophon hat diesen Zusammenhang ca. 365 v. Chr. klar erkannt:

"Will jemand sein (...) Pferd einmal so reiten, dass es prächtiger wirkt und von allen Seiten stärker bewundert wird, muss man davon Abstand nehmen, das Pferd mit dem Zügel im Maul zu reißen und es mit Sporen und Gerte zu bearbeiten, wie es die große Masse in der Meinung tut, so dem Pferd ein prächtiges Aussehen zu geben. Die Leute bewirken nämlich genau das Gegenteil von dem, was sie wollen. Dadurch, dass sie das Maul nach oben ziehen, nehmen sie den Pferden, anstatt sie vor sich hinsehen zu lassen, die Sicht. Und durch das Spornieren und Schlagen erschrecken sie die Pferde, so dass sie völlig durcheinander sind und sich in Gefahr befinden. Das ist nämlich das Betragen von Pferden, die über das Reiten in höchstem Grade unwillig sind und Unerfreuliches und Unschönes tun."

In der absoluten Aufrichtung wird der Kopf über einen angespannten langen Rückenmuskel gehoben und das Pferd sieht nicht mehr, wohin es fußt. Es verliert seine Trittsicherheit. Der (geringere) Vorgriff der Vorderbeine erfolgt vorwiegend über den Kopf-Arm-Muskel. Die Hinterbeine verlieren ihren Vorgriff durch eine veränderte Beckenbewegung (hinten runter - vorne hoch). Das Pferd wird zum Schenkelgänger und verliert die natürliche Stoßdämpfung der Rumpftragemuskulatur für die Vorhand.

Noch schädlicher für die Vorderbeine sind Dreh- und Kippbewegungen in den Gelenken, die beim schrägen Auffußen auf dem Boden entstehen. Ist das Pferd nicht in der Lage, sich korrekt zu biegen, legt es sich wie ein Motorradfahrer in die Kurve. Dann wirken Scherkräfte auf die unteren Gelenke. Dem Pferd beizubringen, sich korrekt zu biegen, hat daher oberste Priorität, gerade beim Reiten in der Bahn, aber auch bei unseren Haltungsbedingungen mit vielen Ecken und Wendungen. Stellung und Biegung bilden die Voraussetzung für das Geraderichten der Schiefe. Für die Biegung ist aber die Stellung "im Genick" (genauer zwischen Atlas und Axis, den ersten beiden Halswirbeln) die Voraussetzung. Vielen Pferden fällt es aufgrund ihrer Schiefe schwer, sich auf beiden Seiten zu stellen. Je weiter das Pferd die Nase nach vorne nimmt, umso einfacher fällt ihm die Stellung. Es geht also um "Nase vor" und "Unterhals / Rücken entspannt", nicht um "möglichst tief". Bei manchen Pferden muss die Nase wirklich "in den Sand", damit die beidseitige Stellung möglich ist und die Unterhalsmuskulatur bzw. Rückenmuskulatur entspannt. Dort bleibt man natürlich nicht. 

Die individuelle Arbeitshöhe ergibt sich daher aus der Fähigkeit zur korrekten Stellung (und damit Biegung). Je höher die Aufrichtung, umso schwerer fällt dem Pferd die Stellung. Die Stellung in höherer Aufrichtung ist daher ein Ausbildungsziel. Ist die Nase hinter der Senkrechten, wird die Stellung übrigens unmöglich. Dabei ist es egal, ob das Pferd sich von selbst einrollt oder der Reiter dies erzeugt. In dieser Haltung blockieren die Jochfortsätze des Hinterhauptbeines den Atlas. Vorwärts-abwärts hat also als wichtigstes Ziel "Nase vor" (Ganasche auf). Um die Vorderbeine dabei nicht zu überlasten, sollte man eine tiefe Dehnungshaltung im Stehen oder im Schritt arbeiten. Ein echtes "Vorwärts-abwärts" ist erst möglich, wenn das Pferd mit angehobenem Widerrist nach vorne suchen kann (Anlehnung!) und dabei die vorwärts unter den Schwerpunkt greifenden Hinterbeine nicht verliert. Der Vorgriff muss hierbei mindestens genauso groß sein wie der Rückschub, nur dann behält das Pferd seine Balance und Tragfähigkeit.  Bleiben die Vorderbeine zu lange stehen, weil das Pferd "auf die Vorhand fällt" (bzw. die Schulterfreiheit verloren geht), ist das nicht mehr gegeben - dann verlieren die Hinterbeine ihren Vorgriff und der Rückschub überwiegt. Damit geht die Tragfähigkeit des Pferdes verloren - hinter dem Sitzbeinhöcker sind die Hinterbeine außerhalb der Körpermasse. Bent Branderup bezeichnet diese Form treffend als "rückwärts-abwärts".

Gustav Steinbrecht hat diesen Ausbildungsgrundsatz eines korrekten Vorwärts-abwärts' mit dem Fokus auf Tragfähigkeit ("die Last vorwärts bewegen") meisterhaft zusammengefasst:

„Als erste Hauptgrundsätze der Kunst rufe ich einem jeden Reiter zu: ‚Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade‘. Unter diesem Vorwärtsreiten verstehe ich nicht das Vorwärtstreiben des Pferdes in möglichst eiligen und gestreckten Gangarten, sondern viel mehr die Sorge des Reiters, bei allen Übungen die Schiebkraft der Hinterfüße in Tätigkeit zu erhalten, dergestalt, dass sogar die Rückwärtsbewegungen das Vorwärts, das heißt, das Bestreben, die Last vorwärts zu bewegen, in Wirksamkeit bleibt.“

Wie hoch oder tief sollte ich nun mein Pferd arbeiten? Meiner Meinung nach ist die Antwort darauf ganz einfach: So tief, dass die Unterhalsmuskulatur (und damit auch die Rückenmuskulatur) entspannt und die Stellung möglich wird, aber dabei so hoch wie möglich, damit die Schulterfreiheit erhalten bleibt. Je weiter das Hinterbein nach vorne greifen kann, umso tiefer darf das Pferd kommen. Geht die Stellung verloren, ist eine zu tiefe Kopfhaltung das kleinere Übel, wenn man so im Stehen oder im Schritt arbeitet. Von dieser Basis aus erarbeitet man eine höhere relative (!) Aufrichtung über die Kraft der Hinterhand. Je nach Gebäude kann die Form sehr unterschiedlich aussehen. Es bringt nichts, sich an einer idealen Buggelenkshöhe zu orientieren, wenn das Pferd nicht in der Lage ist, auf dieser Höhe den Unterhals / Rücken zu entspannen und sich zu stellen. Die optimale Arbeitshöhe ergibt sich aus der bestmöglichen Schulterfeiheit. Eine hebende Parade sollte nur mit viel Gespür eingesetzt werden: "Wenn du hebst, spüre, ob der Hinterfuß hebt, nicht der Kopf." (Bent Branderup, Kursaussage).

Außerdem sollte keine "Haltung" übertrieben werden, sonst kommt es immer zu Überlastungserscheinungen. Ich habe schon im Vorwärts-abwärts "zentrifugierte" und dennoch verspannte Pferde mit kaputten Vorderbeinen erlebt, aber auch "versammelte" Pferde, die einen krassen Senkrücken hatten, weil sie sich über den langen Rückenmuskel heben und nicht über die Rumpfträger. Und ich selbst habe leider auch Fehler in beide Richtungen gemacht und musste daraus lernen (Sorry, Glæðir!). Die Dosis macht das Gift und wie viel Vorwärts-abwärts oder Aufrichtung ein Pferd braucht, um sich im Rahmen seines Gebäudes optimal zu bewegen, ist sehr individuell.

Unsere Heuraufe - ein Stück Lebensqualität

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Das tollste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals bekommen habe!

Seit ich die genialen, automatischen Heuraufen mit Zeitschaltuhr am Scherzingerhof gesehen hatte, wollte ich für unseren Offenstall auch so etwas haben. Zufriedene Pferde ohne lange Fresspausen, am Wochenende länger schlafen, gemütlich frühstücken, keine Wartezeiten mehr nach dem Arbeiten, misten bei Tageslicht ... Leider sind fertige Lösungen unglaublich teuer und ich bin handwerklich ziemlich unbegabt :-(. Aber mein Freund hat sich erbarmt, mir diese geniale Raufe gebaut und zu Weihnachten geschenkt. Vier Rolladenmotoren sorgen dafür, dass zweiteilige Siebdruckplatten nach oben fahren. Damit auch das Großpferd bei uns im Stall auf keinen Fall eingeklemmt wird, musste die Raufe mit 2,40m ganz schön hoch sein. Nach einer Gewöhnungs- und Testphase (sogar mit Zeitraffer-Kamera) ist die Raufe jetzt seit 3 Wochen im Einsatz. Um 0, 5, 10, 15, 20 Uhr geht sie für 1,5 Stunden auf und schließt sich danach wieder. Die Pferde haben schnell kapiert, wie es funktioniert. Sie fressen viel 'gemütlicher', hören zwischendurch auch mal auf und sind wesentlich ausgeglichener. Klar, man wird auch nicht so erwartungsvoll begrüßt, wenn man kommt, aber darauf verzichte ich gerne ;-) Ich kann jetzt zum Stall fahren, wann ich möchte und muss nur 1x am Tag Heu nachfüllen. Warum haben wir das nicht schon viel länger?

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So sieht die Raufe geschlossen aus. 

Gedanken zum Jahreswechsel 2018

Ein Hauch von Freiheit lässt Dinge wachsen, die jenseits deiner Vorstellung liegen.

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Ciana und Glæðir genossen den Sommer auf unserer riesigen Bergweide

Nein, ein einfaches Jahr war 2108 nicht. Bountys Krankheit und Tod im Oktober haben uns alle sehr mitge-nommen. Glæðir hatte am Jahresanfang Rückenprobleme und ein absolutes Motivationstief. Er zwang mich wieder einmal, die bisherige Ausbildung und Ausrüstung zu überdenken. Um seine Freude an gemeinsamen Bewegungen wiederzufinden, beschäftigte ich mich viel mit spielerischer Freiarbeit, Propriozeptionstraining und dem leidigen Sattelthema. Im Frühjahr kam meine 2-jährige Jungstute Ciana zu uns und lebte sich harmonisch in der Herde ein. Den heißen Sommer genossen die Pferde auf unserer neuen, riesigen Bergweide. Zahlreiche Inspirationen durfte ich von einigen Kursen mit Anja Hass, Bent Branderup und Thomy Haag mitnehmen. Im mobilen Unterricht und bei vier spannenden Wochenendkursen lernte ich mindestens so viel wie meine Schüler. Ich bedanke mich für euer Vertrauen und bin begeistert, welche Fortschritte gerade die „Reha-Pferde“ dieses Jahr gemacht haben!

Das Pferd als Künstler - Intrinzen als Inspiration

"Wenn man nun das Pferd in die Haltung bringt, in die es sich zur Selbstdarstellung wirft, wenn es sich am meisten in seiner Schönheit zeigen will, so wird man auf diese Weise sein Pferd als eines vorführen, das am Reiten Freude hat, prächtig und gewaltig aussieht und die Blicke auf sich zieht."

Xenophon

 

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Glæðir entdeckt "unakademisch" seine Hinterhand

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Longieren mal anders: Glæðir folgt dem Federzweig als Target

Glæðir hatte im Januar / Februar 2018 ein Motivationstief. Im Nachhinein waren wohl mehrere Dinge die Ursache: 2016 und 2017 hatten wir durch meine Physio-Trainer-Ausbildung bei Reiten360° sehr viele Kurstage und der Fokus lag auf "ernsthaftem" Training. Dazu kamen Blockaden im Bereich der Brustwirbelsäule, wahrscheinlich durch das dauerhafte Reiten mit Pad. Ich hatte zwar keine Steigbügel verwendet und mehrere Experten hatten mir bestätigt, dass das bei meiner Reitintensität keine Probleme verursacht. Leider hat sich das als Trugschluss herausgestellt. Bei einem hypermobilen Pferd ist eben so manches anders :-(. Glæðir verweigerte jegliche Bewegung und Formung, sowohl am Boden und auch beim Reiten. Ich ließ ihn erst mal in Ruhe und machte mich verzweifelt auf die Suche nach einem spielerischen Ansatz, einfach mal wieder "Zeit schön zu verbringen", wie Bent Branderup es so treffend ausdrückt. Mit dem "Projekt Proprius" von Intrinzen entdeckte ich eine fasznierende Welt - Propriozeptionstraining, Motivations- und Lernpsychologie, Spiel und Neugierverhalten und die Arbeit mit Targets. Mein zunehmend autonomes Pferd bringt mir unglaublich viel bei, vor allem über mich selbst ;-). Karolina Kardel schrieb einen Artikel über Intrinzen-Training mit Islandpferden und bat mich um ein Interview, das meine ersten Erfahrungen schildert.

Wie geht es nun weiter mit meinem Pferd, das mir immer wieder Grenzen aufzeigt und seine Autonomie einfordert? Wie kann ich trotzdem reiten? Wie kann ich das mit der akademischen Ausbildung, von der ich für die Ausbildung eines Reitpferdes nach wie vor überzeugt bin, verbinden? Wohin führt dieser Weg? Es bleibt spannend. Ein Zwischenfazit habe ich für mich schon gezogen, zu dem mich ein Zitat über Kinder inspiriert hat:

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“

Johann Wolfgang von Goethe

 

Wer sich für Intrinzen interessiert, kann sich hier informieren: 

https://www.intrinzen.mykajabi.com/p/ProjectProprius

https://www.vimeo.com/channels/intrinzenhorse

https://www.instagram.com/pantherflows/

https://bewegungsfreudepferd.de 

Propriozeptionstraining durch instabile Untergründe - Oder: Warum "in Watte packen" meist keine Lösung ist

Ich weiß nicht, wie oft ich mir die Außenbänder am rechten Knöchel schon überdehnt und gerissen habe. Einen Gips bzw. in heutiger Zeit eine Aircast-Schiene brauchte ich bereits fünf Mal. Das erste Mal passierte es, als ich mit 6 Jahren von einer Mauer heruntergesprungen bin und beim Aufkommen umknickte. Seit diesem Zeitpunkt blieb mein Sprunggelenk ein ständiger Schwachpunkt. Ich versuchte, durch immer festere Wanderschuhe Verletzungen zu vermeiden, knickte aber auch damit um. Ein Aha-Erlebnis hatte ich, als ich zum ersten Mal Barfußschuhe trug: Jetzt spürte ich, wenn ich auf einen Stein trat und konnte rechtzeitig reagieren. Außerdem gewöhnte ich mir eine Vorfuß-Lauftechnik an, bei der die Gefahr umzuknicken viel geringer ist. Durch Balanceübungen auf einem instabilen Ballkissen versuche ich, Propriozeptionstraining in meinen Alltag einzubinden. Durch den instabilen Untergrund wird die Tiefenmuskulatur trainiert. Viel wichtiger ist allerdings die verbesserte Körperwahrnehmung. Vereinfacht gesagt werden für die Motorik zuständige Bereiche im Gehirn trainiert, schneller zu reagieren, wenn die Balance verloren geht. Durch die zunehmende Sicherheit in der Bewegung muss das Gehirn nicht mehr für "Schutzverspannungen" sorgen - funktionale Bewegungen werden dadurch wieder möglich. Seit 2010 habe ich mich nicht mehr am Sprunggelenk verletzt (Toitoitoi!).

Was hat das ganze mit Pferdeausbildung zu tun? Balance Pads und Gymnastikmatten erfreuen sich auch hier zunehmender Beliebtheit. Gerade, wenn ein Reha-Pferd nicht mit Tempo trainiert werden kann, muss man zuerst wieder funktionale Bewegungen herstellen, BEVOR das eigentliche Training beginnt. Ansonsten entsteht ein Teufelskreis aus Verletzungen und Schonhaltungen: Der Ausbilder verzweifelt daran, dass herkömmliche Trainingsmethoden nicht zu funktionieren scheinen. Das Pferd entwickelt Widersetzlichkeiten, um sich vor Verletzungen und Schmerz zu schützen. Leider wird dies oft als Verhaltensproblem missverstanden. Durch Glæðirs dauerhafte Bewegungseinschränkung am Karpalgelenk und seine starke Schiefe kennen wir diesen Frust aus eigener Erfahrung. 

Inspiriert durch das Training von Intrinzen begann ich, mit Gymnastikmatten als instabilem Untergrund zu experimentieren. Mit den Vorderhufen trat Glæðir sofort auf die Matte und begann zu scharren, hineinzubeißen und mit der Matte zu spielen. Die Hinterhufe wollte er anfangs nicht draufsetzen, aber mit zunehmender Sicherheit war das kein Problem mehr. Ich animierte ihn durch meine Körpersprache, auf der Matte seinen Schwerpunkt zu verschieben. Zum einen seitlich, aber auch von vorne nach hinten. Die Hilfengebung kannte er bereits aus der Akademischen Reitkunst, positive Verstärkung ist ebenfalls schon lange Teil unserer Ausbildung. Wichtig war, dass ich ihn selbst experimentieren und seine Balance finden ließ, auch wenn die Übungen dadurch weniger perfekt wurden. Interessanterweise wurde die Hankenbeugung für Glæðir viel leichter möglich und er begann, sich weniger über den Unterhals hochzuziehen und in der Vorhand leicht zu werden. Steigen auf der Matte liebt er mittlerweile. Mir ist bewusst, dass man das eher als "Zirkustrick" sehen kann, der mit Akademischer Reitkunst nichts zu tun hat. Von einem korrekten Schulhalt oder einer Levade sind wir immer noch weit entfernt. Aber mein Pferd kann Hankenbeugung "von alleine" - etwas, das ich früher aufgrund seiner rückständigen Hinterhand nicht für möglich gehalten habe. Durch diese Fähigkeit kann er sich trotz seiner Hypermobilität viel besser stabilisieren, was seiner Tragfähigkeit auch mit Reiter zugute kommt. 

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Glæðir experimentiert mit der Hankenbeugung

Spannend ist auch, dass er dieses neue Bewegungsrepertoire auch in seiner Freizeit in der Herde einsetzt und plötzlich Wendungen auf der Hinterhand oder gesprungene Bewegungen zeigt. Auch in der Haltung wage ich neue Schritte: Ich hatte nach Glæðirs Verletzungsodyssee schon beschlossen, dass ich ihn trotzdem in einer Herde mit viel Bewegung halten möchte. "Boxenknast" kam für mich nicht in Frage! Unser Stall mit einer kleinen, ruhigen Stutenherde und Paddocktrail bietet dafür durch Steigungen und viele Steine ideale Bedingungen. Trotzdem stürzte Glæðir 2016 erneut, seine alte Operationsnarbe ging wieder auf und er musste dort zum vierten Mal operiert werden :-(. Der Tierarzt meinte aber, ich hätte Glück, dass das erst sieben Jahre nach seinem Unfall wieder passiert sei, normalerweise träte das viel häufiger auf :-o! Neben Glück sehe ich die Ursachen aber vor allem in seiner Ausbildung, dem Barhuflaufen (auch das hat ganz viel mit Propriozeption zu tun!) und vor allem seiner Haltung. Jetzt sind wir noch einige Schritte weitergegangen: Dieses Jahr hatten wir zum ersten Mal die Möglichkeit, zwei Hektar Bergweide am Stück einzuzäunen. Es ist teilweise steil, es gibt Felsen, Gräben, Löcher, Sumpfgebiete. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, lieber einzelne Parzellen abzuzäunen und zumindest die Gräben und Moore abzutrennen. Aber ich habe mich dagegen entschieden. Glæðir ist dort aufgewachsen - als Jungpferd war das kein Problem für ihn.

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Glæðir als 5-Jähriger auf der gleichen Bergweide

Ich bedaure es sehr, dass ich diese Fähigkeit (unwissentlich) durch falsches Reiten zerstört hatte. Jetzt - mit 17 Jahren - beginnt er wieder Sicherheit in seinen Bewegungen auszustrahlen. Außerdem soll meine 2-jährige Berber-Haflingermixstute Ciana ebenfalls die Möglichkeit haben, Propriozeptionstraining als ganz normalen Teil ihres Jungpferdelebens zu erleben. So viele Gymnastikmatten kann man im Training später gar nicht einsetzen, um diese Defizite zu kompensieren ;-). Drei Tage haben wir Anfang August Zaunpfosten eingeschlagen, Elektroseile gezogen und ausgemäht. Ohne Unterstützung hätte ich das nicht geschafft (Danke, Nico, Mara, Bela und vor allem Peter!). Nun ist unser Pferdeparadies am Feldberg fertig.

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Glæðir fast wie in Island

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Ciana genießt den Bergsommer

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Vor allem abends wird Gas gegeben

Es ist wunderschön, unsere kleine Herde im Grasmeer zu beobachten, zumindest wenn man sie findet ;-) Ich bin sehr gespannt, wie Glæðirs Gelenk das verkraftet - es bleibt ein Wagnis. Aber auch das Wagnis "Barfußschuhe" hat bei mir bisher funktioniert - ein "Schutzpanzer" ist eben nur scheinbar eine Lösung. Wenn Glæðir mit Ciana über die Weide galoppiert, wird mir immer noch angst und bange. Trotzdem bin ich mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Ich bin sehr dankbar, an diesem wundervollen Ort leben zu dürfen und unseren Pferden einen Bergsommer fast unter isländischen Bedingungen ermöglichen zu können. 

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Unsere riesige Bergweide am Feldberg (1200m ü. NN)

 

Wege zur Reitkunst 2017 - Gedanken zum Jahreswechsel

Ein ereignisreiches Jahr geht zu Ende! Besonders gefreut hat mich, dass ich mit Anja Hass eine hervorragende Trainerin gefunden habe, die nicht nur tolle Kurse gibt, sondern Glæðir und mich auch vor Ort regelmäßig begleitet. Glæðir hat sich prima entwickelt. Die zunehmende Kraft aus der Hinterhand macht sich in allen Gangarten positiv bemerkbar.

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Der Galopp profitiert besonders

Auch Bent Branderup brachte uns auf zwei Kursen neue Impulse. Meine Physio-Trainer-Ausbildung bei Reiten 360° nähert sich dem Ende und durch die Prüfungsvorbereitungen konnte ich mein Wissen über eine ganzheitliche Pferdeausbildung vertiefen. 

Jährlingsstute Ciana wächst und gedeiht auf den schönen Bergweiden in Gutach. Die „Kleine“ hat Glæðir schon eingeholt!

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Ciana mit 16 Monaten

Ich danke allen, die mich begleitet und unterstützt haben und mit denen ich gemeinsam lernen darf. Selbst Unterricht und Kurse geben zu dürfen ist für mich eine große Ehre und Bereicherung. Ich hoffe, dadurch zu einem harmonischen Miteinander zwischen Mensch und Pferd beitragen zu können.

Besonders froh und dankbar bin ich, dass 2017 alle Pferde und Menschen in meinem Umfeld gesund geblieben sind.

(Text: Anja Rut Hebel, Foto 1: Peter Oster, Foto 2: Nico Hebel, Foto 3: Selene)

 

Wege zur Reitkunst 2016 - Gedanken zum Jahreswechsel

2016 stand in der Arbeit mit Glæðir das Thema „Oberlinie formen“ im Mittelpunkt. In der Bodenarbeit waren erste Versammlungsansätze erkennbar. Leider musste Glæðir im Juli zum vierten Mal am Karpalgelenk operiert werden, da seine alte Narbe wieder aufgegangen war :-( Danach hatte er von der Muskulatur her ziemlich abgebaut. Um den Rücken nicht zu verlieren, mussten wir stärker an der getragenen Dehnungshaltung arbeiten. Die Trainingsansätze aus meiner Weiterbildung zum Physio-Reittrainer bei Reiten 360° brachten uns neue Impulse zum Öffnen der Halsbasis. Der scheinbare „Rückschritt“ hat sich gelohnt: Zum ersten Mal konnte ich spüren, was „Anlehnung“ und „Traghaltung“ wirklich bedeuten. Auch im Unterricht mit meinen zwei- und vierbeinigen Schülern versuche ich, diese Erkenntnisse verstärkt einfließen zu lassen.

trainingstag5Stellung und Biegung zur Formung der Oberlinie

Susanne Waltersbacher und ich stellten 2016 unseren Ausbildungsordner von Reitkunst Südwest fertig. Damit haben wir ein wunderbares Hilfsmittel, um unseren Unterricht besser zu strukturieren. Auch bei externen Trainern war die Resonanz überwältigend. Die erste Auflage ist fast verkauft und wir müssen nachdrucken. Im nächsten Jahr wollen wir dieses „Handwerksbuch“ weiter verfeinern. 

Mein Berber-Edelbluthaflinger-Mix-Fohlen Ciana („Die Glückliche“) eröffnete mir ab Juli einen ganz neuen Blick für den Start in ein Pferdeleben. Sich berühren lassen, putzen, Hufe geben und führen am Halfter waren die Dinge, die wir gemeinsam lernen konnten. Eigentlich wollte ich einen reinen Berber und kein Fohlen, aber diese Vorsätze haben schon bei Glæðir nicht geklappt (damals wollte ich kein Jungpferd und keinen Fuchs). Es sind wohl doch die Pferde, die aussuchen :-)

cianaCiana - 4 Wochen alt

Ciana hat sich zu einem selbstbewussten Stütchen entwickelt, die gerne spielt. Die Fuchsfarbe hat sie bis auf rote Strähnchen in der Mähne verloren: Im Moment ist sie schwarzbraun mit weißen Stichelhaaren. Auch vom Wesen her ähnelt sie ihrem Papa Mash'al al Ayur. Begeistert hat mich, dass ich ihre Herde erleben durfte, in der auch Mash'al als Hengst mit dabei sein darf. Ich bin gespannt, wie sich Ciana weiter entwickeln wird.

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Ciana mit ihrem Papa Mash'al al Ayur 

Im November konnte der erste Kurs „Reitkunst und Tölt“ speziell für Gangpferde stattfinden. Das hat mich besonders gefreut, da gerade mehrgängige Pferde besonders von einer biomechanisch korrekten Ausbildung profitieren. Im nächsten Jahr sind weitere Kurse geplant.

Es war ein sehr lehrreiches Jahr für mich und ich danke allen, die mich weiter auf diesem Weg begleitet haben. 

 

Kindheitsträume werden wahr - Gedanken zum Jahreswechsel 2015/2016

2015 war für mich ein besonderes Jahr, denn „Reitlehrerin“ war einer meiner ersten Berufswünsche. Aber mir wurde gesagt, dass das kein richtiger Beruf sei und so studierte ich doch etwas „Gescheites“. Jetzt ist dieser Traum doch wahr geworden. Durch meine zwei- und vierbeinigen Schüler durfte ich die gemeinsame Arbeit mit ganz unterschiedlichen Pferden und Menschen noch mal neu entdecken und dafür bin ich sehr dankbar.

Das Leben mit Pferden hat für mich sehr viel mit der kindlichen Freude  in der Natur und im Umgang mit Tieren zu tun: Beim Reiten habe ich manchmal das Gefühl, mit Pferden sprechen zu können und zu einer Einheit zu werden. Ich konzentriere mich - wie früher beim Spielen - ganz auf den Augenblick. Wenn meine Gedanken abschweifen, erinnert mich mein Pferd daran, dass das jetzt nicht wichtig ist. Bin ich gestresst und ungeduldig, zeigt es mir, dass so keine Harmonie entsteht. Beim Reiten in der Natur fühle ich mich frei, der Blick hebt sich zum Horizont und klebt nicht mehr am Bildschirm. 

Ich weiß, dass mein Pferd dafür seine Freiheit und seine natürlichen Lebensaufgaben verloren hat. Meine Aufgabe als Ausbilder und Gefährte ist es, dem Leben meines Pferdes wieder einen Sinn zu geben, obwohl „Pferdestärken“ in der modernen Welt eigentlich  überflüssig sind.  

Durch die Reitkunst durfte ich einen anderen Sinn in der gemeinsamen Arbeit entdecken: Reitkunst ist eine ganzheitliche Schulung von Körper und Geist - sie macht mich zu einem besseren Menschen.

 

„Die Freude ist mein einziges Ziel.

Deswegen versuche ich von Anfang an, das Pferd für unsere Arbeit zu interessieren,

denn diese wird von jetzt an sein Lebensinhalt sein.

Sie sollten niemals aus den Augen verlieren, ob ihr Pferd Freude an der Arbeit hat.“ 

Bent Branderup

 

glaedir winter

 

Nachruf zum Tod meines Vaters Hans Herrmann

Am 15. November 2014 ist mein Vater Hans Herrmann im Alter von 78 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Für alle, die ihn kannten, kam das völlig überraschend. Bis kurz vorher war er noch täglich auf seinem Fahrrad unterwegs und ritt regelmäßig. Ob beim Musikreiten, bei den Jagdhornbläsern oder einfach als Helfer im Stall - den Reitverein Biberach kann man sich ohne Hans kaum vorstellen.

musikreiten

Hans beim Musikreiten im Reitverein Biberach

Erst im März war er als ältester Teilnehmer beim Reitturnier dabei gewesen. Die Schwäbische Zeitung schrieb dazu: "Als erfahrener Geländereiter überzeugte Hans Herrmann mit Schulpferd Largo auch im Parcours und lieferte den Anwesenden den Beweis, dass der Reitsport keine Altersgrenzen kennt."

Am liebsten ritt Hans aber allein im Gelände und bedauerte sehr, dass er das in den letzten Jahren nicht mehr machen konnte. Wenn wir spazieren gingen, zeigte er mir gerne seine früheren Reitstrecken im Wald und erzählte von seinen Ausritten.

Meinem Vater habe ich es auch zu verdanken, dass Pferde schon immer ein Teil meines Lebens waren. Schon als Kindergartenkind wollte ich bei seinen Reitstunden zuschauen und durfte mit etwa 5 Jahren selbst auf einem Ponyhof reiten lernen.

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Bei einer Reitstunde mit meinem Lieblingspony Cayenne (1981)

Trotz intensivem Betteln konnte ich meinen Vater nie überreden, dass wir uns ein eigenes Pferd kaufen. Hans war immer der Ansicht, dass das zu viel Verantwortung bedeuten würde. Er ritt sein ganzes Leben lang Schulpferde und meinte, dass die viel ausgeglichener und gesünder wären, weil sie nicht so viel herumstehen würden. Früher habe ich ihm das sehr übel genommen und hörte zeitweise sogar mit dem Reiten auf, weil mich die normalen Reitstunden in der Halle einfach nicht mehr reizten. Heute kann ich seine Entscheidung verstehen, vor allem, weil eine reine Boxen- oder sogar Ständerhaltung ohne Auslauf damals noch Standard war.

Auch seine Enkelkinder nahm Hans mit zum Reitverein und sie durften nach dem Musikreiten am Sonntag immer noch ein paar Runden aufs Pferd. Meine Tochter Mara wurde dadurch auch dauerhaft vom Reitvirus infiziert und einmal schafften wir es sogar, hier im Schwarzwald einen "Drei-Generationen-Ausritt" zu machen.

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Mara und Hans bei unserem "Drei-Generationen-Ausritt"

Eine weitere Verbindung zwischen uns war, dass wir beide gerne die Pferde versorgen - mit allem, was dazugehört: Ausmisten, Zäune Instand halten, füttern... Ich sehe Hans noch vor mir, wie er mit einer Handsense unsere Weidezäune ausmähte. Ich bot ihm die Motorsense an, aber das war ihm zu unsportlich. Einmal erzählte er mir, dass er in seiner Studentenzeit regelmäßig im Stall geholfen hatte und dafür reiten durfte. Diesen Mix aus geistiger und körperlicher Arbeit fand er optimal und das geht mir genauso. Hans war nie ein Reiter, der sich einfach aufs fertig geputzte Pferd setzte, sondern packte bei allen Arbeiten, die damit verbunden waren, mit an. 

Letztes Jahr hatte ich noch ein paar gemeinsame Erlebnisse mit Hans, die mit der Akademischen Reitkunst zu tun haben: Im Frühjahr besuchte ich einen Kurs von Bent Branderup in Dischingen und da das nicht weit entfernt von Biberach entfernt ist, wollte ich Hans auf dem Rückweg besuchen. Als ich ihn deswegen anrief, sagte er spontan, dass er mitkommen wolle. So fuhren wir gemeinsam hin. Hans war im Vorfeld etwas skeptisch gewesen, was das für ein "Guru" sein sollte. Der Kurs hat ihn aber sehr beeindruckt, auch wenn er meinte, dass dieses "kleinschrittige Reiten" nicht wirklich was für ihn wäre. In der folgenden Zeit las er einige Bücher von mir zu diesem Thema und kaufte sich sogar die "Reitkunst" von Xenophon (365 v. Chr.). Dieses Buch las er mit der für ihn typischen Gründlichkeit und wir führten einige intensive Diskussionen über dieses Ausbildungskonzept.

Das zweite gemeinsame Erlebnis war im Juli: Ich schlug Hans vor, gemeinsam zum 500-jährigen Jubiläum ins Landgestüt Marbach zu fahren. Bei den Marbach Classics nahmen 12 Nationalgestüte teil, unter anderem auch die Spanische Hofreitschule aus Wien. Das „Pferdeballett“ beinhaltete für unseren Geschmack aber zu viel Show und zu wenig Harmonie zwischen Reiter und Pferd. Trotzdem war es ein stimmungsvoller Juliabend und die Basis für viele weitere Gespräche über pferdegerechtes Reiten. Ich bin froh, dass ich Hans damals dazu überredet habe.

Als Hans von seiner Krankheit erfuhr, war sein Wunsch, dass ich bei seiner Trauerfeier etwas über das Reiten und die Bedeutung der Pferde für unser Leben erzähle. Obwohl das emotional sehr schwierig für mich war, habe ich ihm diesen Wunsch erfüllt. Sein zweiter Wunsch steht noch aus: Er wollte, dass ich in seinem Reitverein einen Vortrag über Xenophon und die Reitkunst halte - "für die Jugend" sagte er. Sobald sich meine Trauer und auch die vielen organisatorischen Dinge etwas gelegt haben, werde ich auch das angehen. 

Die Pferde haben in Hans' und in meinem Leben immer dazu beigetragen, dass sie uns in schwierigen Situationen Trost und Entspannung gespendet haben. Gerade in den letzten Jahren, die für uns beide auch durch den Tod meiner Mutter nicht leicht waren, ist uns das besonders deutlich geworden. Wir lieb(t)en es beide, allein mit dem Pferd in der Natur unterwegs zu sein, ganz im "Hier und Jetzt" ohne Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft. Dafür sind wir diesen wundervollen Tieren unendlich dankbar.

 

Reiten ist Lebenskunst.

Wenn Sie sich aufmachen, ein Künstler zu werden,

werden Sie entdecken,

dass ein Künstler nicht länger lebt, aber mehr.

(Bent Branderup)  

 

Island - Ein Reisebericht aus der Heimat unserer Pferde

Mitte August bis Anfang September 2014 machte ich mir endlich einen Traum wahr. Drei Wochen war ich mit meiner Familie im Westen von Island unterwegs. Damit wir auch abseits der Ringstraße fahren konnten, mieteten wir uns einen kleinen Geländewagen. Mit dem Gepäck von vier Leuten war das ganz schön eng, aber wir wollten unbedingt ins Hochland und trotzdem kein Vermögen ausgeben. Übernachtet haben wir die ganze Zeit im Zelt, meistens auch "wild" und nicht auf dem Campingplatz. Um Zeit für mehrtägige Wanderungen zu haben, beschränkten wir uns auf den Westen von Island.

Nach der Landung in Keflavík fuhren wir bei traumhaftem Wetter an der Südküste der Halbinsel Reykjanes entlang und machten ein paar kurze Wanderungen zu Leuchttürmen, zur Steilküste und ins Geothermalgebiet Seltún.

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 Leuchtturm an der Westküste der Halbinsel Reykjanes

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Die ersten Islandpferdeherden direkt am Meer 

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Die Steilklippen Krysuvíkurberg - leider brüten die Vögel nicht mehr

Das Wetter blieb weiterhin ganz unsisländisch und so fuhren wir zügig weiter Richtung Hochland. Auf dem Weg zur Kjölur-Hochlandpiste Kjalvegur durften natürlich der Wasserfall Gullfoss und das Geothermalgebiet Geysir nicht fehlen.

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Am Gullfoss - dem "goldenen Wasserfall"

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Der Geysir "Strokkur" entlädt sich zuverlässig alle 10 Minuten

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Auf der Kjölur-Piste hatten wir fantastische Blicke auf die riesigen Gletscher

Der Kjalvegur folgt einem alten Reitweg, der wahrscheinlich schon seit 900 n. Chr. bekannt ist. Er war bis zum Bau der Ringstraße und zur Einführung des Autos eine wichtige Verbindung von Südisland in den Norden. Diesen Weg ritten die damaligen Siedler zum Beispiel um zum Alpingi zu gelangen. Dort versammelten sich seit 930 n. Chr. einmal im Jahr die Oberhäupter der isländischen Regionen (Goden) und gründeten das erste isländische Parlament.

Drei Tage wollten wir im Gebirge Kerlingarfjöll wandern gehen. Die farbenfrohen Rhyolithberge umgeben das zweitgrößte Hochtemperaturgebiet Island.

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Die Rhyolithberge entstanden durch Vulkanausbrüche unter dem Gletschereis - eine der schönsten Landschaften Islands!

Wir nutzen das tolle Wetter, um am ersten Tag den Snaekollur (1477m ü. NN) zu besteigen und genossen eine herrliche Aussicht bis zum Vatnajökull, dem größten Gletscher Europas an der Ostküste Islands. Anschließend stiegen wir durch die Schutthänge und über die Schneefelder abwärts Richtung Sprengidsandur - das ist die wohl legendärste Hochlandroute Islands. Ihr kennt bestimmt das berühmte isländische Lied "A Sprengisandi", das von einem unheimlichen Ritt durch diese Mondlandschaft handelt. 

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Ausblick vom höchsten Berg im Kerlingarfjöll Richtung Sprengisandur und Vatnajökull

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Der Sprengisandur - eine Mondlandschaft aus Lava

Auf dem Rückweg durchwanderten wir das Hveradalur mit blubbernden Schlammtöpfen, nach Schwefel stinkenden Fumarolen und heißen Quellen. Wanderwege waren meistens nicht erkennbar. Im Hveradalur war die Route auf der Karte im Flussbett eingezeichnet und das entsprach dann auch der Wirklichkeit. Wir mussten uns daher mit Karte und GPS orientieren. Das Wetter blieb die ganze Wanderung über fantastisch. Allerdings waren die Nächte Ende August bereits empfindlich kalt. Wir zogen nachts im Schlafsack alles an, was wir an Kleidung dabei hatten. An einem Morgen hatten wir sogar Eis auf dem Zelt.

Nach so viel Einsamkeit freuten wir uns auf die grüne Nordküste. Die meiste Zeit verbrachten wir am Skagafjördur - dem Fjord der Pferde! Einmal übernachteten wir neben einer Weide mit vier Junghengsten und konnten den ganzen Abend diese wunderschönen Tiere beobachten. Es ging ganz schön ruppig her und die Hengste waren von Narben übersäht. 

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Jungs haben halt nichts als raufen im Sinn :-)

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Danach herrschte wieder Frieden

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Was für ein hübscher Kerl!

Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt in Island zu reiten. Die Standard-Touristenritte sind nicht so mein Ding und schließlich habe ich ja zu Hause das tollste Pferd der Welt :-) Aber die Mädels wollten unbedingt und so machten wir einen Ausritt. Erwartungsgemäß waren die Pferde nicht so der Hit (Schweinepass lässt grüßen), aber ich würde als Hofbesitzer auch nicht meine besten Isländer an Fremde verleihen. Landschaftlich wars trotzdem ein schönes Erlebnis. 

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Unser Ausritt

Während des Ritts unterhielten wir uns mit der deutschen Praktikantin. Sie erzählte uns einiges über die Pferdehaltung in Island. Die Reitwege sind steil und steinig und auf den Hochlandtouren wird den Tieren schon einiges abverlangt, auch wenn die Pferde immer wieder gewechselt werden. Gymnastizierung ist kaum vorhanden. Die Jungpferde laufen erst in der Herde und als Handpferd mit und irgendwann setzt man sich halt drauf. Im Winter stehen die meisten Pferde auf den Hausweiden. Einen Stall gibt es nur für die besten Tiere. Mir wurde bewusst, dass die Pferde in Island wirklich noch Gebrauchspferde sind. Das hat einerseits schon Nachteile, z. B. sind die Hufe oft in katastrophalem Zustand (Hufeisen kann man im Supermarkt kaufen!). Andererseits hat diese Art zu reiten auch den einmaligen Charakter der Isländer geprägt - sie sind genügsam, ausdauernd, trittsicher, mutig und stecken Strapazen ziemlich gut weg.

In Hólar waren wir natürlich auch im Islandpferde-Museum, wo man alles Wissenswerte über die wunderbare Pferderasse erfährt.

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Das "Achtung Tölt"-Schild hatte es uns natürlich angetan :-)

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Und es war manchmal auch nötig.

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Manchmal braucht man zum Entziffern dann etwas länger ;-)

Das Wetter wurde nun ziemlich "isländisch" und änderte sich ständig. Wirklichen Dauerregen hatten wir aber nur an drei Tagen und das ist für drei Wochen Island echt gigantisch. Dafür zerbrach ein Sturm das Gestänge eines unserer Zelte und zerriss das Außenzelt. Zum Glück fanden wir eine nette Isländerin mit Nähstube, die es wieder flickte und mit einer Aluhülse konnten wir auch das Gestänge reparieren. Nach ein bisschen Kultur (Torfgehöft Glaumbaer, Heringsmuseum in Siglufjördur, Akureyri) hatten wir aber trotzdem wieder Lust auf Natur und Einsamkeit.

IS glaumbaer

In solchen Torfgehöften lebten die Menschen früher - die letzten wurden erst in den 1980er Jahren aufgegeben.

Unsere zweite längere Wandertour unternahmen wir in den Westfjorden. Eigentlich hatten wir vorgehabt, mit einer Fähre ins Naturschutzgebiet Hornstrandir im äußersten Nordwesten zu fahren. Dort muss es absolut wild und einsam sein und durch den Schutz haben die Tiere (Polarfüchse!) kaum Scheu vor den Menschen. Aber die Schiffe fahren nur bis Mitte August und so fuhren wir eine Stichstraße an der Nordseite des Isafjardardjup entlang, bis es nicht mehr weiterging. Von dort aus wanderten wir über die Halbinsel an den Fjord Jökulfirdir. 

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Blick von unserem ersten Übernachtungsplatz auf den Jökulfirdir.

IS moos

Dieses giftgrüne Moos wächst überall an Bachläufen im Hochland.

Ein Stück wollten wir ins Hornstrandir reinlaufen und anschließend die Halbinsel umrunden. Der Weg in den Hrafnfjördur erwies sich aber als ziemlich heftig. Zuerst ging es am Ablauf der Gletscherbäche des Drangajökull entlang, aber dann mussten wir den ca. 2km breiten Schwemmfächer mit unzähligen Bachläufen durchqueren. 

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Am Fuß des Gletschers Drangajökull

Furtschuhe hatten wir dabei, aber das Wasser war eiskalt und nach den fünften Bach wurde es wirklich unangenehm, nach dem zehnten spürten wir dann unsere Füße nicht mehr. Brrr! Da kann man mal nachvollziehen, wie es den Pferden geht, mit denen man in Island natürlich durch die Flüsse reitet. Brücken gibt es nur an den häufiger befahrenen Straßen. Auch auf Nebenstrecken muss man mit dem Auto häufig Furten durchqueren.

IS furten

Fertig zum Furten - noch lacht Mara (aber auch nachher war sie echt tapfer)!

Vorbei an verlassenen Torfgehöften ging es weiter. Ein bisschen düster ist die Stimmung schon - man kann sich vorstellen, wie schwer es den Menschen gefallen sein muss, ihre Höfe aufzugeben. Das Leben hier muss wirklich hart und sehr einsam gewesen sein.

Doch ein Vorteil ist, dass die Natur sich das Land wieder zurück holt. Die Vegetation ist dicht, weil keine Schafe und Pferde für Überweidung und Erosion sorgen. So viele Beeren wie hier haben wir sonst nirgendwo gefunden - lecker! Bemerkenswert fand ich auch, dass mir viele Pflanzen sehr bekannt vorkamen. Der Feldberg hat ein ganz ähnliches Klima wie die isländischen Küstengebiete. Deswegen fühlen sich die Islandpferde im Schwarzwald auch fast wie zu Hause :-)

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Wollgras in sumpfigen Gebieten

IS seehunde

Auch die Tierwelt in den Westfjorden ist echt beeindruckend - Robben!

Der Weg in den Hrafnfjördur war offenbar ein Reitweg und wir entdeckten Hufspuren. Nur kann man eigentlich nicht von Weg sprechen - mal ging es über Blockgeröll am Strand, dann wieder einen Steilhang hoch, über Felsen und durch steinige Bachläufe. Schon als Wanderer kamen wir nur langsam voran und diese Wege werden geritten! Ich beschwere mich nie wieder über die harten Schotterwege im Schwarzwald - sie sind Luxus dagegen!

Da wir sehr lange bis zum Fjordende gebraucht hatten und die Essensvorräte knapp wurden, beschlossen wir, nach unserem Rückweg (wieder mit Furt-Marathon) nicht mehr die Halbinsel zu umrunden, sondern übers Hochland direkt zurück zu laufen.

Anschließend fuhren wir wieder Richtung Süden - über den Kaldidalur (auch ein früherer Reitweg durchs Hochland) nach Thingvellir. Dabei genossen wir ausgiebig die Schwimmbäder mit Hotpots. Jedes noch so kleine Dorf hat eins, denn Baden ist neben Reiten isländischer National"sport". Besonders toll waren aber die natürlichen heißen Quellen.

IS hengill

Baden in einem heißen Fluss im Hengill-Geothermalgebiet

IS seltun

Hier war es aber doch zu heiß zum Baden.

Zum Abschluss waren wir natürlich noch in Reykjavik und die letzte Nacht verbrachten wir wieder am äußersten Ende der Halbinsel Reykjanes bei den Leuchttürmen zwischen unzähligen Eiderenten, Möwen, Basstölpeln und natürlich Pferden und Schafen.

Auf dem Rückflug klebte ich als absoluter Vulkan-Fan förmich an der Scheibe, um vielleicht einen Blick auf die Spalteneruptionen am Vulkan Bárdarbunga zu werfen. Tatsächlich! Das letzte, was wir von dieser außergewöhnlichen Insel sahen, waren die glühenden Lavafontänen im Holuhraun.

Mein Fazit: Island ist sicher kein erholsamer Sommerurlaub und vor allem mit dem Zelt manchmal echt ungemütlich. Aber die grandiosen Landschaften, das Baden in den heißen Quellen, die freundlichen Menschen, Skyr und Lakritz mit Schokolade und natürlich die besten Pferde der Welt sind auf jeden Fall eine Reise wert!

IS stute

 

Islandpferde

Einem jeden, der sie reitet,

naht sein Glücksstern sich im Raum.

Leid verweht, das Leben gleitet

leicht dahin - ein schöner Traum.

(Páll Ólafsson)

 

(Text: Anja, Fotos: Anja, Mara)